Hornlautsprecher mit Fostex FE103 Σ
Vorgeschichte
Hornlautsprecher üben auf viele eine unerklärliche Anziehungskraft aus. Irgendwann habe auch ich das Bedürfnis verspürt diese Art von Lautsprechern zu besitzen. Das akustische Funktionsprinzip ist im Vergleich zu anderen Lautsprechertypen sehr ausgeklügelt und nach wie vor Forschungsgegenstand. Wie im Internet zu sehen, opfern so manche Audioenthusiasten ganze Räume für ihre Systeme. Das kam bei mir aus Platzgründen nicht in Frage. Eine Analyse der Machbarkeit, d.h die Möglichkeit die Chassis für normales Geld zu bekommen und ein normalwohnraumgerechtes Gehäuse mit eigenen Mitteln zu bauen, führte mich auf das Projekt CT164 aus der Zeitschrift "Klang & Ton" von 1996, Ausgabe 5. Das Projekt, das unter der Rubrik Cheap Trick zu finden war, bot einige sehr praktische Eigenschaften: Es war relativ platzsparend, ästhetisch gelungen und vor allem bezahlbar - sogar als 'low budget' einzustufen. Verglichen mit anderen horntauglichen Breitbändern wie z.B. Treibern von Lowther ist der Fostex FE103 Sigma ein echtes Schnäppchen. Die Klangbeschreibung der Lautsprecher in der K&T war vielversprechend.
Funktionsweise
Es handelt sich um ein "rückwärtsgeladenes" Horn mit einem Breitbandlautsprecher.
Bei dieser Konstruktion strahlt nur ein Chassis das gesamte Frequenzspektrum ab.
Erwartungsgemäss würde ein 10cm-Treiber den Bassbereich nur schlecht
übertragen und zu einem sehr hellen Klang führen. Abhilfe schafft hier ein
hinter das Chassis geschaltetes hyperbolisches Horn. Das Horn hilft dem Lautsprecher
bei tiefen Frequenzen effizient Schall abzustrahlen.
Das Prinzip ist z.B. aus alten Gramophonen bekannt: Die sehr geringe Auslenkung
der Nadel kann durch (eine Membran und) einen Trichter effizient in Schall umgesetzt
werden. Grosse Flächen strahlen tieffrequenten Schall besser ab als kleine (Beim
gleichen Hubvolumen!). Der Übergang von
der kleinen Fläche auf die grosse kann jedoch nicht schlagartig passieren, da
Schall an einem Querschnittssprung oder einer zu schnellen
Aufweitung reflektiert wird und sich zurück zum Lautsprecher anstatt nach aussen ausbreiten würde.
Deshalb haben Hörner immer eine sich nur langsam aufweitende Querschnittsfläche.
Zum Entwurf eignet sich beispielsweise die Exponentialfunktion, die in der Natur
ein Wachstum beschreibt. Das hier beschriebene Horn basiert auf einer ähnlichen
Funktion, dem Cosinus-Hyperbolicus. Diese Funktion weitet sich anfangs etwas langsamer
auf als die Exponentialfunktion. Das ergibt ein kleineres Gesamtvolumen des Horntraktes.
Die Hornführung ist im Bild weiter unten angedeutet.
Da der Breitbänder einen nicht ganz linearen Frequenzgang hat, werden in dem
Projekt zwei Saugkreise empfohlen. Es handelt sich um einen Sperrkreis im Mitteltonbereich
und im Bassbereich. Den letzteren habe ich weggelassen, da mir der Klang auch so gefiel.
Aufbau
Der Aufbau ist entgegen dem ersten Eindruck relativ unkompliziert. Ein echtes Nadelöhr hat die Konstruktion nicht. Ich konnte die Boxen mittels:
- Bauhaus-Zuschnitt
- Handgehrungssäge
- Stichsäge
- Oberfräse (Rundungs-, Bündigfräse)
- Bandschleifer/Schleifklotz
- Zwingen, etc.
ohne Probleme bauen. Die meisten auf Gehrung zugeschnittenen Teile verschwinden sowieso im Gehäuse, sodass Ungenauigkeiten nicht sichtbar werden. Es muss hier aber gesagt werden, dass sich die Box nicht als erste Übung im Umgang mit Holz eignet. Bei der Beschreibung setze ich Grundwissen und etwas Erfahrung voraus. Die Box besteht aus zwei Teilen die unabhängig von einander gebaut werden können. Als Material wurde durchgehend 19er MDF (mitteldichte Faserplatte) verwendet.
Oberteil
Das Oberteil beherbergt den grössten Teil des etwa 3 m langen Horntraktes, der
entsprechend gefaltet werden musste um in die Box zu passen. Aus Machbarkeitsgründen
hat der Trakt eine konstante Breite. Der Aufbau beginnt mit dem Aufkleben der
Vorder-, Hinter- und Oberwand auf die Seitenwand. Hier ist es wichtig den rechten
Winkel einzuhalten. Zur Fixierung können normale oder Langdübel verwendet werden.
Ich habe die ersteren eingesetzt. Ist das Bündigfräsen der Seitenwände nicht
vorgesehen, so müssen die Wände natürlich bündig aufgeklebt werden. Vor dem Kleben
muss die Öffnung für den Treiber in die Vorderwand gesägt werden. Die Trennwände
werden nach dem Einzeichnen der genauen Lage auf die Seitenwand aufgeklebt.
Ihr Zuschnitt sollte optimalerweise mit einer elektrischen Gehrungssäge mit
einem Arbeitstisch erfolgen. Ich habe nur eine Handgehrungssäge zur Verfügung
gehabt, welche die erforderliche Schnitthöhe von 112 mm gerade noch beweltigen
konnte. Wie man im Bauplan sehen kann, ergibt sich in der Mitte des
Gehäuses ein Hohlraum. Diesen habe ich entgegen dem Orginalplan für einen
Durchbruch genutzt. Dieser lockert das tiefe Gehäuse sehr auf und weckt bei
allen Betrachtern immer grosses Interesse. Nebenbei ist die Öffung im
Gehäuse auch sehr praktisch beim Tragen der relativ schweren Boxen.
Man sollte den Durchbruch für das Kabel in der Druckkammerwand und die
Verkabelung selbst nicht vergessen. Die Ecken des Kanals sollten mit
Dreickeckprofilen korrigiert werden um Sprünge im Querschnitt zu vermeiden.
Diese lassen sich mit einer Gehrungssäge herstellen. Wichtig ist, dass das
Oberteil unten eine exakt plane Fläche ergibt, da es sonst auf dem Sockel
kippelt und keine saubere Klebung ermöglicht. Ich habe hierfür das Oberteil
auf einem Brett plangeschliffen. Dadurch ist mir dann später ein kleines
Malheur passiert: Zum Schleifen habe ich den Trakt (an der engen Stelle) mit
einem Papierknäuel wegen Staubschutz zugestopft. Beim Verkleben habe ich meine
ganze Aufmerksamkeit auf die Fuge gerichtet und vergass den Knäuel zu
entfernen. Mist! Die einzige sinnvolle Lösung war ein "minimalinvasiver"
Eingriff durch den Sockel durch. Zum Glück ist nur eine kleine "Narbe"
geblieben.
Sockel
Der Sockel besteht zwar aus nur wenigen Teilen, ist jedoch durch die langen
Schrägen etwas komplizierter im Bau. Diese Schwierigkeiten können durch den
Einsatz einer (halb)professionellen Gehrungssäge umgangen werden. Da ich nur
eine einfache Handsäge zur Verfügung hatte, konnte ich die Teile im Gegensatz
zum Oberteil wegen der grossen Schnittlänge (Höhe des Sockels) nicht
zuschneiden.
Der Aufbau des Sockels beginnt mit dem Ausschneiden der Öffnungen im Boden
(Frequenzweiche) und in dem Deckel (Horntrakt). Die beiden Teile werden dann zu
einer Trapezform zugeschnitten. Wer das Gehäuse nachher bündig fräst, sollte
2-3 mm Überhang an den Seiten lassen. Als nächstes wird die Vorderwand
vorbereitet. Sie ist an den senkrechten Seiten unter einem Winkel geschnitten.
Ist man nicht im Besitz einer Tischkreissäge, so bleibt nur das zurechtschleifen
wie in meinem Fall geschehen. Es reicht hier nur die Kanten anzuschleifen um die
Klebefläche zwischen Seiten- und Vorderwand etwas zu vergrössern. Jetzt
können die Seitenwände und die Vorderwand gleichzeitig auf den Boden
aufgeklebt werden. Bevor man den Deckel aufklebt, kann noch die Abschrägung
über der Öffnung für die Frequenzweiche eingeklebt werden. Diese ist wegen
der vielen Winkelschnitte nicht einfach zu bauen. Hier hilft eine schrittweise
Anpassung durch Schleifen. Kleinere Ungenauigkeiten sind aber nicht weiter
schlimm, da das Teil von aussen kaum sichtbar ist. Der Durchbruch für das
Kabel oder gegebenfalls für das Terminal sollte nicht vergessen werden.
Die Auskleidung des Horntraktes im letzten Bereich ist natürlich optional.
Ihre akustische Wirkung ist eher gering. Sie sollte nach dem Streichen des
Lautsprechers angebracht werden.
Die "Hochzeit"
Sind Oberteil und Sockel so weit fertig, können sie zu der endgültigen
Konstruktion zusammengefügt werden. Bevor das passiert, sollte man sich noch
Gedanken zum Finish machen.
Gewöhnlicherweise werden Lautsprechergehäuse aus ästhetischen und
akustischen Gründen an den Kanten rundgefräst. Die einzige Engstelle bei dem
beschriebenen Projekt ist die Fuge. Das Problem wird verständlich, wenn man
dieses Bild betrachtet. Der Sockel kann nicht
einfach an der oberen Kante rundgefräst werden, da die Vorderwand der ganzen Box
durchgehend sein soll. Beim Fräsen der Sockeloberkanten muss man irgendwo kurz
vor der Vorderseite aufhören. Es bleibt ein Übergang von rund auf scharfkantig
den man noch per Hand bearbteiten muss. Das Problem kann umgangen werden, wenn
man das Oberteil und den Sockel rundfräst. Die Box sieht dann "zweiteilig" aus.
Ansonsten muss wie oben schon beschrieben auf einen passgenauen Sitz des
Oberteils auf dem Sockel geachtet werden. Für guten Halt sollten Dübel verwendet
werden.
Oberflächenfinish
Hier sind natürlich die Grenzen nach oben offen. Ich werde einfach mein
Vorgehen schildern. Nach missglückten Versuchen mit Sprühdosen habe ich mich
entschieden, das Gehäuse mit einer Rolle anzumalen. Als erste Schicht habe
ich Klarlack auf das Gehäuse aufgetragen.
Diese Lackierung dient als Versiegelung der Spannplatte, die das Einsaugen
des Lacks, besonders an den Schnittfächen, verhindern sollte. Zusätzlich kann
der Klarlack noch etwas geschliffen werden um mehr Glätte zu erreichen.
Als zweite Schicht habe ich wieder mit einer Rolle silbernen Lack aufgetragen
(Rostschutzfarbe von Hammerit). Hier sollte man sich etwas Zeit nehmen um Fehler
zu vermeiden. Diese Schicht ist nämlich für das endgültige Aussehen der Box
verantwortlich. Die Rollenbewegungen sollten gleichmässig sein und von Rand
zu Rand gehen. Etwas problematisch ist der Bereich der Fuge zwischen dem Kasten
und dem Sockel. Als letzter Anstrich kommt wieder Klarlack zum Einsatz.
Dieser lässt die silberne Farbe durch die Versiegelung etwas eleganter und
"3D" aussehen. Es sollte möglichst hochqualitativer, gut verlaufender Klarlack
verwendet werden. Der Durchbruch und die Innenseite des Horns wurden mit matter
dunkelroter Farbe angemalt.
Der Anstrich sollte nicht im Freien erfolgen, da sich sonst zu viel Staub auf
den klebrigen Oberflächen absetzt.
Insgesamt ist der Anstrich relativ einfach zu machen und das
Aufwand/Wirkung-Verhältnis als sehr gut einzuschätzten. Einige technisch weniger
versierte Betrachter der Boxen wollten nicht glauben, dass sie aus Spanplatte
bestehen.
Klang
Der Projektbeschreibung in der "Klang & Ton" war zu entnehmen, dass die Boxen
zwar absolut gesehen nicht zum high-end zählen, gemessen an dem Geld- und Bauaufwand
jedoch eine sehr gute Leistung abliefern würden. Das entspricht ungefähr auch
meinem Urteil. Dass der Frequenzgang nicht schnurgerade ist, ist hörbar, jedoch
nicht wirklich störend. Wegen der Bündelung der 10cm-Treiber müssen die
Lautsprecher auf den Hörer ausgerichtet sein.
Ein beliebter Streitpunkt bei Hörnern ist die Basswiedergabe. Die einen meinen
"schnell", die anderen "schwach". Ich hatte leider keine Gelegenheit andere
Hörner ausser irgendwelcher Giganten bei Massenvorführungen zu hören. Im
Tiefbass unter 60 Hz steht die CT164 meinen Standboxen, den Audax Bordeaux
(natürlich Selbstbau!) mit einem Meter Höhe und 8"-Treibern natürlich nach.
Darüber ist die Wiedergabe des 10cm-Winzlings überraschend gut. Es dominiert
das Staunen über die Möglichkeiten eines so kleinen Lautsprechers.
Sehr positiv ist mir die Räumlichkeit der Boxen aufgefallen. Damit meine ich
die Fähigkeit der Lautsprecher die Illusion zu schaffen, dass sich eine
"Bühne" vor dem Hörer aufbaut. Ich vermute, dass diese Eigenschaft auf die
punktartigen Quellen zurückzuführen ist. In dieser Disziplin werden meine
Zweiwege-Vergleichsboxen geschlagen.
Jegliche Sorgen wegen der Pegelfestigkeit, die Treiber sind mit nur einigen
Watt Nennleistung angegeben, lösen sich nach den ersten Spielproben auf. Durch
das Horn hinter dem Treiber ist die Auslenkung der Membranen sehr gering und
bei Zimmerlautstärke kaum sichtbar. Eine mechanische Überlastung tritt bei
dem kurzhubigen Chassis bei "normalen" Lautstärken nicht auf. Das Hornprinzip
wird richtig "anfassbar". Die Hörner sind wegen ihrer Effizienz auch lauter
als gewöhnliche direktstrahlende Boxen. Wer synthetisches Tonmaterial für
sein Heimkino in Orginallautsärke abspielen möchte, wird natürlich
enttäuscht.
Die Wirkung des Basssaugkreises habe ich nicht ausprobiert. Dieser soll im
Bereich um ca. 120 Hz den Pegel etwas absenken. Ich fand die leichte
Hervorhebung in diesem Bereich ganz angenehm.
Im Grossen und Ganzen kann ich das Projekt sehr empfehlen. Mit einem
überschaubaren Aufwand holt man sich ein Stück faszinierende Akustik nach
Hause - ein gelungenes physikalisches Experiment. Das Gehäuse hat sogar etwas
ästhetisches an sich, es weckt das Interesse beim Betrachter:
Da soll eine gefaltete Schnecke drin sein? Glaub' ich nicht! Nur ein
Lautsprecher? Und der Subwoofer? Der Blick auf gewöhnliche Boxen in
Tausenden Abwandlungen wirkt da etwas langweilig.
Links und Downloads
Die Kopie des Artikels mit Bauplan kann hier heruntergeladen werden. An dieser Stelle möchte ich Bernd Timmermanns für die Erlaubnis danken.
Fostex homepage mit Datenblättern:
http://www.fostexspeaker.de
Die Anzeige von ACR mit diversen Fostex-Breitbändern von damals
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